Die Nacht war sehr windig, Luca wird gegen halb eins wach, sammele unsere Klamotten von der Wäscheleine ein und bringe sie in Sicherheit. Morgens beim Aufstehen finde wir einen Sonnenschirm, der gegen die Wand seines Zeltes geweht wurde. Wir geben den ihren Besitzern zurück und frühstücken gemütlich. Gestern haben wir uns auf der Karte eine Rundtour ausgeguckt. Wie immer ohne Ahnung oder größeren Plan, einfach auf der Karte vielversprechend aussehende Straßen gewählt. Hier auf Korsika heißt "vielversprechend", dass man eine beliebige gelbe (auf der Michelinkarte, nicht Google Maps) Departementalstraße wählt, die sind nämlich alle ohne jegliche Geraden gebaut. Weiße Straßen wie man sie in Deutschland in die Route einbauen würde sind auf Korsika meistens so etwas wie befestigte Feldwege bei denen der Asphalt aufbricht. Die sind zwar kurvig, aber mit Straßenmotorrädern nicht spaßig. Auf solchen Straßen wird man gut durchgeschüttelt und genug Dreck um das Tempo niedrig zu halten liegt auch immer rum.
Wir haben uns für eine Runde entschieden, die uns erst nach Westen wieder über die D268 von gestern führt, dann ab Zonza über die D420 bis zur Nationalstraße, der wir bis Santa-Maria-Siché nach Norden folgen. Von dort geht es über D83, D757 und D69 nach Ghisoni und ab dort durch ein Tal die D344 entlang zur Ostküste, wo wir auf der Nationalstraße an der Küste entlang nach Süden fahren um bei Solenzara wieder auf die D268 einzubiegen und zum Campingplatz zurück fahren.
Morgens geht es dann also wieder über die kleinen Pässe von gestern, an dem ungewöhlich vielem Verkehr aus dem Nichts vorbei zurück bis nach Zonza. Da wir wenigstens die Campingausrüstung zurücklassen konnten sind wir auch nicht mehr so schwer beladen. Die Satteltaschen sind aber dran geblieben, da der Aufwand zum Abbau und dem erneuten Befestigen zu groß ist. Das Topcase mit Essen, Handschuhen und Co. bleibt ja sowieso drauf.
Heute morgen ist es auch angenehm kühl, so dass wir nicht schmoren, sondern schön konzentriert fahren können. Die Straßen sind immer noch wunderschön zu fahren, seit gestern hat die keiner kaputt gemacht. Auch Nic überwindet so langsam seinen Respekt vor korsischen und so kommen wir gut und schnell voran.

In den Bergen

Hier wurde an alle gedacht: oben schön kurvige Straße mit gutem Asphalt, unten Schotterstraße für Offroad-Freaks
Hinter Zonza wird unser schnelles Vorankommen dann durch mehrere Vorfälle deutlich eingebremst. Wir fahren auf die D420 und aus dem Ort raus, Luca gibt etwas Gas. Ich falle gerade so weit zurück, dass Luca mich im Rückspiegel aus der Kurve kommen sehe kann, sobald er in die nächste Kurve einbiegt. Dann verschwindet ich aus seinem Sichtfeld, kurze Zeit später läuft er auf ein langsames Auto auf. Wie wir es heute schon mehrfach gemacht haben, hält Luca ein wenig Abstand und fährt langsam hinterher bis ich da bin, damit wir gemeinsam überholen und weiterfahren können, ohne all zu weit getrennt zu werden. Aber ich schließe nicht auf, also hält Luca in der nächsten Ortschaft an. Als er gerade überlegt, ob er zurück fahren und nachschauen soll, hält ein Autofahrer neben ihm. Den hatten wir vorher überholt, der sollte eigentlich hinter mir sein. Er lässt sein Fenster runter und sagt ist schönstem franco-englisch: "she stopped"



Kurz danach komme ich dann auch an und löse die Situation auf: ich brauchte eine kleine Pause um Adrenalin abzubauen, nachdem mir ein BMW zügig auf meiner Spur entgegen kam.
Dann geht es weiter und wir entdecken nach kurzer Fahrt ein sehr interessantes Verkehrsschild. Was es damit auf sich hat erfahren wir allerdings nicht. Zumindest heute nicht


Was war denn nun am 23. Juli 2009?
Weiter geht es und nach kurzer Zeit werden wir wieder ausgebremst: Wir lernen korsische Baustellen kennen. Auch auf Korsika müssen Straßen gebaut oder repariert werden. Für die Korsen sind das Aufgraben oder Schottern der Straße oder Baumaschinen in Bewegung kein Grund eine Straße zu sperren oder nur halbseitig zu Arbeiten. Ein Schild "Achtung Baustelle" und ein Tempolimit von 50 muss reichen :wacko:

Absicherung einer korsischen Baustelle - Das Tempolimit ist eher als Herausforderung zu sehen


Wegen so etwas kaufen sich manche leute Reiseenduros. Mit einer Bandit gehts auch - macht aber keinen Spaß

Mörderisches Tempo: ca. 25 km/h waren drin

Die Offroad-Passagen sind mit Lucas Dicken echt keine angenehme Angelegenheit. Es gibt geeignetere Motorräder für so etwas, beispielsweise meine wunderschöne DR. Ich fahr schnell Vorsprung raus, wobei ich versuche nach den Kurven auf Luca zu warten um nicht zu weit laufen zu müssen, sollte er sich lang machen. An einer Stelle hat ein Bagger gerade weiche Erde in ein Loch gefüllt. Wir stehen davor, der Bagger blockiert den Rest der Straße. Der Bauarbeiter winkt uns durch, ich fahr vor. Mit den K60 Scouts komme ich auch problemlos durch. Der Bauarbeiter winkt auch Luca zuversichtlich weiter, er fährt an und rollt durch. Der Hinterreifen fühlt sich komisch an und man sieht wie Luca kontinuierlich langsamer wird. Die letzten Meter fährt er mit Schrittgeschindigkeit, aber sein Tacho zeigt gute 40-50 km/h an :wacko: Er jammert deswegen noch etwas rum. Wir fahren weiter und treffen noch zwei dieser Baustellen, diesmal glücklicherweise (leider) nur mit Schotter und fester, trockener Erde.
Dann geht es weiter auf die D69, die wir aus der Gegenrichtung ja auch schon kennen. Hier kommt uns nach und nach eine Gruppe von Oldtimer-Supercars entgegen. Da ist alles dabei, von Porsche 356 bis zu den letzten luftgekühlten 911ern, Jag E-Type, Ferrari 288 und F40 usw. Ganz am Ende kommt noch ein Sprinter leerem Autoanhänger. Der spielt anscheinend Lumpensammler. Die Fahrer geben ordentlich Gas mit ihren teuren Autos, wissen aber zu großen Teilen auch nicht, wozu eine Mittelmarkierung gut ist. So langsam hab ich genug von Leuten, die mir auf meiner Spur entgegen kommen, Luca findet das bei sich selbst auch nicht so toll... Zu allem Überfluss macht auch noch ein Pan-European-fahrer aus einer Motorradgruppe mit bei dem Spiel "wir fahren auf deiner Seite", wenig später auch noch ein Renault-Fahrer.
Wir fahren unsere Tour weiter. Ab auf die D344. Die liegt in einer Schlucht und hat es atemberaubende Ausblicke auf einen Gebirgsfluss.

Blick von der Straße nach unten

Das Wasser scheint überall auf der Insel so super klar zu sein
Zur Ostküste hin wird die Landschaft dann auf den letzten 15km urplötzlich flach und damit die Straßen dann auch schnurgerade. So gerade, wie nur Franzosen oder US-Amerikaner Straßen bauen können. Damit kommt uns auch direkt das Küstenwetter entgegen geschlagen. Das sind gefühlt einfach mal 10°C mehr als noch vor ein paar Kilometern. Wir suchen erst einen Supermarkt und stocken unsere Vorräte auf. Außerdem kaufen wir noch ein wenig Bier, das brauchen wir heute nachdem uns dauernd Leute auf unserer Spur entgegen kamen. Dann suchen wir ein Restaurant. Immerhin sind wir direkt am Meer, da muss man auch mal Meeresfrüchte essen. Luca bestellt Calamarie auf Reis und ich futter einen Eimer moules et frites.

Ein Eimer voller Muscheln

Die Portion sieht bescheiden aus, war aber größer als das Bild vermuten lässt
Das Essen war super lecker und wir machen uns auf den Weg zurück zum Campingplatz. Dazu fahren wir die letzten paar Kilometer der D268, die wir noch nicht gefahren sind. Die sind eigentlich was das reine Fahren angeht noch viel besser als der Rest, noch mehr, noch engere Kurven und bester Asphalt :thumbup:
Auch diese paar Kilometer gehen heute nicht von statten, ohne dass ich dem Gegenverkehr auf meiner Spur ausweichen müsste, diesmal in Form eines Busses und eines Kleintransporters.
Am Campingplatz angekommen sind wir fertig. Es ist zwar erst kurz vor vier und wir sind auch nur ca. 200km gefahren, aber das war die intensivste Fahrerei, die ich mit dem Motorrad ja gemacht habe. Eigentlich sind wir den ganzen Tag über nur in Schräglage gewesen. Das kostet Konzentration. Die Mordanschläge anderer Verkehrsteilnehmer, die Offroad-Ausflüge durch Baustellen und das heiße Wetter auf den letzten Kilometern und jetzt auch hier am Campingplatz tun ihr übriges. Wir suchen und in dem Becken im Fluss zwei gemütliche Felsen aus zum Drauflegen. Das Bier wandert in den Flusslauf am rand, wo es richtige Strömung und damit auch richtige Kühlung gibt. Dann lassen wir uns das gekühlte Bier im Wassser schmecken
